Landespräventionsrat Niedersachsen
CTC - communities that care

Leitlinien für effektive Präventionsprogramme

Was zeichnet Programme aus, die sich in Wirkungsevaluationen als effektiv erwiesen haben? Wie kann das Wissen über diese Eigenschaften dazu verwendet werden, Angebote vor Ort zu überprüfen und bei Bedarf weiter zu entwickeln - insbesondere dann, wenn keine Ressourcen zum Einsatz eines Programms aus einer Empfehlungsliste wie der "Grünen Liste Prävention" vorhanden sind oder schon viel in ein vor Ort entwickeltes Programm investiert wurde?

Ein möglicher Ansatz besteht darin, bestehende Überblicksarbeiten (systematische Reviews und Meta-Analysen) über wirksame Programme daraufhin auszuwerten, welche Elemente diese Programme gemeinsam haben. Maury Nation und ihre Kolleg/innen haben eine solche systematische Auswertung von Überblicksarbeiten in den Bereichen der Prävention von Substanzmissbrauch, Jugenddelinquenz und -Gewalt, Schulversagen und riskantem Sexualverhalten vorgenommen (Nation et al. 2003, 2005) und die Eigenschaften identifiziert, die übereinstimmend in diesen Bereichen mit effektiven Programmen in Zusammenhang gebracht werden können.

Die herausgearbeiteten 9 Eigenschaften kommen nicht immer bei allen Programmen gleichzeitig vor, können aber als eine generelle Richtschnur für die Beurteilung und Weiterentwicklung von Präventionsangeboten verwendet werden. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass die Anwendung dieser Leitlinien allein keine Gewähr dafür liefert, dass ein Programm wirksam ist (Weissberg et al. 2003). Dies kann nur durch eine geeignete Evaluationsstudie herausgefunden werden.

 

  1. übergreifender Ansatz:
  • Risiko- und Schutzfaktoren werden in mehreren sozialen Bereichen zugleich angegangen (Familie, Schule, Nachbarschaft etc.)
  • mehrere Aktivitäten werden in ein Programm integriert (bspw. direkte Verhaltensprävention auf der individuellen Ebene und Verhältnisprävention durch Veränderung des Umfelds, z.B. Verbesserung des Schulklimas)

 

  1. Methodenvielfalt
  • mehr als eine Lern-, Lehr- oder Interventionsmethode wird verwendet
  • interaktive Bestandteile, Übungen und praktische Anwendungen im Alltag werden verwendet, reine Informations- und Wissensvermittlung reicht nicht aus

 

  1. ausreichende Intensität
  • mehr als ein einmaliges Ereignis ist nötig, die Aktivität umfasst eine gewisse zeitliche Dauer und inhaltliche Intensität
  • das Niveau der Intensität passt zum Risiko-Niveau der Teilnehmer (je mehr Risiko vorliegt, umso intensiver ist die Maßnahme)
  • nach dem Ende der Maßnahme werden später Auffrischungen vorgenommen („Booster-Sessions“)

 

  1. theorie-gesteuert
  • eine wissenschaftliche Untermauerung und logische Begründung (Wirkmodell) ist vorhanden, in Bezug auf
  • Ursachen für das angegangene Problem (Risiko- und Schutzfaktoren)
  • Methoden, die bestehende Risiken senken oder Schutz erhöhen können

 

  1. positiver Beziehungsaufbau
  • das Programm fördert starke, stabile und positive Beziehungen zwischen Kindern, bzw. Jugendlichen und (erwachsenen) Rollenvorbildern aus dem sozialen Umfeld (also nicht nur zu externen Professionellen)

 

  1. passender Zeitpunkt
  • das Programm startet, bevor das Problemverhalten begonnen hat (aber nicht zu früh, wenn der Inhalt noch keine Bedeutung für die Zielgruppe hat)
  • das Programm arbeitet zu einem (entwicklungstheoretisch) günstigen Zeitpunkt
  • der Inhalt des Programms ist dem jeweiligen Entwicklungsstand der Altersgruppe angemessen

 

  1. soziokulturell zutreffend
  • das Programm passt zu den kulturellen Normen und Einstellungen der Zielgruppe(n)
  • das Programm berücksichtigt auch individuelle Unterschiede in der Zielgruppe

 

  1. Wirkungsevaluation
  • das Programm ist mit einem geeigneten Design auf seine Wirkungen hin untersucht
  • das Programm besitzt ein internes Feedback- und Monitoring-System über die Umsetzung

 

  1. gut ausgebildetes Personal
  • das Programm arbeitet mit gut qualifiziertem und motiviertem Personal
  • das Personal wird mit Qualifizierungen, Trainings, Fortbildungen, Supervision und Coaching unterstützt
  • die Motivation und das Engagement des eingesetzten Personals werden gezielt gefördert

 

 

 

Literatur:

Nation, M., Crusto,C., Wandersman, A., Kumpfer, K.L., Seybolt, D., Morrissey-Kane, E., Davino, K. (2003): What Works in Prevention. Principles of Effective Prevention Programs, American Psychologist, 58 (6/7), S. 449-456

Nation, M., Keener, D., Wandersman, A., BuBois, D. (2005): Applying the Principles of Prevention: What Do Prevention Practitioners Need to Know About What Works? Centers for Disease Control and Prevention, Division of Violence Prevention

Weissberg, R.P., Kumpfer, K.L., Seligman, M.E.P. (2003): Prevention That Works for Children and Youth. An Introduction, American Psychologist, 58 (6/7), S. 425-432