Die Methode orientiert sich an den individuellen Ursachen für Kriminalität und an bestehenden Risikofaktoren. Diese sollen abgebaut und zugleich Schutzfaktoren aufgebaut werden. Daher verfolgt „Kurve kriegen“ kein Standardmaßnahmenprogramm, sondern regionale pädagogische „Baukästen“ in den Behörden unter Einhaltung vorgegebener Standards (zum Beispiel: evaluierte Maßnahmen, pädagogische Konzepte, erweiterte Führungszeugnisse, Versicherung, Ausschreibungsverfahren) und regelmäßigem, persönlichem Kontakt zu Trägerinnen und Träger/Anbietenden.
Ablauf im Einzelnen:
Erstes (Risiko)Screening durch die Polizei anhand polizeilicher Daten
- Identifikation besonders kriminalitätsgefährdeter Kinder und Jugendlicher anhand von Devianz/Straffälligkeit und polizeilich bekannter Risikofaktoren
- Standardisiertes Verfahren der Kreispolizeibehörden
- Daraus abgeleitete Prognose der Gefährdung
- 1. Kontaktaufnahme mit potentiell Teilnehmenden und deren Sorgeberechtigten (durch die Polizei) zwecks weiterer Abklärung
- Bei Bestätigung der bisherigen Annahme, Einholen der 1. Einverständniserklärung
Im Fall der schriftlich bestätigten Teilnahmebereitschaft folgt dann ein aufsuchendes persönliches Gespräch durch eine pädagogische Fachkraft aus dem Fachkräfteteam.
Zweites (Risiko) Screening durch eine pädagogische Fachkraft anhand polizeilicher Daten und eigenen Eindrücken
- Gewinnen persönlicher Eindrücke von Teilnehmenden und Familie sowie dem sozialen Umfeld
- Ausführliche Erklärung des Programms
- Prüfung ob erste Annahme der Polizei durch die pädagogische Fachkraft bestätigt wird
- Erneuter Hinweis auf Freiwilligkeit für die Teilnahme
- Einholen der 2. Einverständniserklärung (Erlaubnis zur Kontaktaufnahme zum Jugendamt oder Schule im Bedarfsfall)
Arbeit der pädagogischen Fachkraft mit Teilnehmenden, der Familie oder der Peer kann beginnen. Einbeziehen weiterer Institution bei Bedarf.
Teilnehmerorientierte pädagogische Fallbetreuung
- Persönlicher Kontakt - anlass- und anlassunabhängig - zu den Teilnehmenden und der Familie
- Ansprechperson sein und Hilfe und Unterstützung bieten
- Pädagogische Fachkräfte bei der Polizei fungieren als Bindeglied zwischen Polizei, Jugendamt und Schulen (unter Beachtung des Datenschutzes) und koordinieren die Netzwerkarbeit
- Individuelle, passgenaue Maßnahmenplanung orientiert an bestehenden Möglichkeiten (Ressourcen und Bedarfe der Teilnehmenden, der Familie und anderen) und den konkreten Ursachen für Kriminalität (u.a. Risikofaktoren wie Häusliche Gewalt, Schulabstinenz, Mobbing, Alkohol- und Drogenmissbrauch, kriminelle Familienangehörige/ Peer)
- Hinzuziehung von Expertinnen und Experten und Einsatz weiterer pädagogischer Methoden (Beispiele: Anti-Gewalt-Training, Tiergestützte Therapie, Marte Meo, Nachhilfe, Sporttraining, Schuldnerberatung, Elterncoaching)
- Konkrete schriftliche Zielvereinbarung mit den Teilnehmenden (GAS - Goal Attainment Scaling) und regelmäßige Prüfung, ob Ziele erreicht werden bzw. noch passend sind
- Absprachen mit weiteren Institutionen (Jugendamt, Schulen etc.)
- Polizeiliche Aufgabe beschränkt sich auf die (kriminal)polizeiliche Sachbearbeitung sowie die tagesaktuelle Information der pädagogischen Fachkraft über relevante Ereignisse (Beispiele: erneute Devianz/Straffälligkeit, Vermisstenfall, Häusliche Gewalt)→ ein oder eine kleine Gruppe fester polizeilicher Ansprechpartner (Personenorientierte Sachbearbeitung)
Leitfadengestütztes Abschlussgespräch/Übergangsmanagement
- Bei geplanter Beendigung, Verweigerung oder ungeplantem Abbruch (wenn möglich)
- Reflexion des Teilnahmeverlaufes
- Ausblick über weiteres Vorgehen (z.B. Anschlussmaßnahmen des Jugendamtes)
- Mitteilung an andere Verantwortliche (Beispiel: Jugendamt, JGH)
- Einleiten eines Übergangsmanagements
Individuelle Teilnahmedauer
Die Teilnahme am Programm ist für 1 Jahr geplant und kann bei Bedarf mehrmals um jeweils 6 Monate verlängert werden.
Einen starr festgelegter Teilnahmezeitraum besteht nicht. Spätestens alle 8 Wochen prüfen die pädagogischen Fachkräfte, ob eine weitere Teilnahme an „Kurve kriegen“ sinnvoll und erforderlich ist.